Psytrance-Szene


Das «Summer Never Ends»-Festival im bündnerischen Rona ist eine der grössten Goa-Parties Europas. (Bild: pd)



In Vorarlberg fährt die Polizei einen härteren Kurs gegen Goa-Parties. Die Veranstalter pochen auf ihr Versammlungsrecht.

Roger Berhalter

Eigentlich wollte Marcel Melbinger nur ein Vereinstreffen organisieren. Eine «kleine Privatveranstaltung mit engsten Bekannten», sagt der 26jährige Hohenemser. Oberhalb seiner Heimatstadt, auf einem Kiesplatz im Gebiet Schuttannen, hätte die Party seines Vereins «Modern Art and Music» stattfinden sollen. Man habe die Erlaubnis der Pächter eingeholt, die Gemeinde informiert und Miet-WCs organisiert. Feuer wäre verboten gewesen, und «ab vier Uhr morgens hätten wir die Musik leiser gemacht», sagt Melbinger.

Doch die Goa-Party in Hohenems wird nicht stattfinden. Die Pächter haben ihre Meinung geändert, laut Melbinger, weil die Polizei sie eingeschüchtert habe. Jetzt ist Melbinger sauer. «Wir sind ein friedliches Volk. Wir wollen als Kulturverein integriert werden und uns nicht im Wald verstecken!»

Gegen die elektronische Musik

Auch Bernhard Amann ist sauer. Der Hohenemser Stadtrat und Sozialarbeiter spricht in einer Medienmitteilung von «Verdacht eines Amtsmissbrauchs» und Verstössen gegen die Menschenrechte und gegen das Vereinsgesetz. Ihn stört vor allem ein Schreiben der Landessicherheitsdirektion, das vor ein paar Tagen an alle Vorarlberger Gemeinden gegangen sei und gemäss Amann «jede Veranstaltung, die etwas mit elektronischer Musik und/oder psychedelischer Dekoration zu tun hat, zu untersagen ist». Als Begründung würden Sicherheitsbedenken und Drogenmissbrauch genannt.

Die Trance als Ziel

Im Visier der Behörden ist konkret die Goa-oder Psytrance-Szene. Deren Anhänger treffen sich am liebsten im Sommer unter freiem Himmel, stellen DJ-Pult und Lautsprecher auf und feiern ein, zwei Nächte lang durch, ohne Unterbruch. Gespielt wird vor allem Psychedelic Trance (kurz Psytrance) oder Goa-Trance, eine schnelle Form von Techno mit monotonen Bässen und psychedelischen Klangeffekten. Alles an diesen Parties ist darauf ausgerichtet, dass die Besucher in Trance geraten: Die gleichförmig pumpende Musik, die aufwendigen, fluoreszierenden Dekorationen, die offene und zwanglose Atmosphäre. Nicht wenige Besucher helfen mit synthetischen Drogen nach, deshalb waren und sind Psytrance-Parties der Polizei ein Dorn im Auge.

«Die Goa-Bewegung und Drogen beeinflussten sich von Anfang an gegenseitig», schreibt Roger Liggenstorfer vom Zürcher Nachtschatten Verlag im Standardwerk «Goa – 20 Jahre Psychedelic Trance». Doch Goa-Parties mit Drogenparties gleichzusetzen, sei «zu einfach und dient in erster Linie dazu, die Szene zu diskriminieren». Auch der Hohenemser Marcel Melbinger winkt ab. «Drogen kann man auch an Rockkonzerten oder in der Disco bekommen.» Er betont den künstlerischen Aspekt der Goa-Parties: «Für uns ist das eine Lebenseinstellung. Wir treffen uns, um gemeinsam neue Ideen zu verwirklichen.»

Zwischen Job und Ekstase

In den 80er-Jahren bestand die Goa-Szene aus Hippies und Aussteigern, die am Strand von Indien nächtelang durchfeierten. Heute gibt es auch in der westlichen Welt viele «Goanauten», die zwischen Weekend-Ekstase und Wochenjob pendeln. «Das sind normale Leute, die unter der Woche funktionieren und einfach am Wochenende Party machen wollen», sagt Bernhard Amann. Er versteht nicht, wie man einerseits Goa-Vereine behördlich bewilligen könne, ihren Mitgliedern anderseits aber nicht erlaube, sich zu treffen: «Das ist absurd.»

23.08.2011 http://www.thurgauerzeitung.ch